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Türen schlossen sich, Umarmungen wurden verlernt und Münder hinter Masken versteckt: Die Corona-Pandemie legt uns seit März 2020 physische Distanz auf. Das gilt besonders für Menschen der Risikogruppe und alle, die mit ihnen zusammenleben. Viele von ihnen isolieren sich seit Monaten zu Hause – auch als Freunde und Nachbarn die sommerlichen Lockerungen feierten und Menschen gegen Corona-Restriktionen demonstrierten. Aus Angst vor Ansteckung sehen sich viele gezwungen, ihre Kinder aus Schule oder Kita zu nehmen. Kurzum: Risikogruppen-Haushalte sind zwar an der Verbreitung des Virus kaum beteiligt, schultern aber einen wesentlichen Teil der Pandemiefolgen. Bei alledem sind sie im öffentlichen Diskurs nahezu unsichtbar, weil sie oft beruflich kürzertreten und keine BesucherInnen empfangen können.

Das möchte ich mit dem partizipativen Fotoprojekt “Das Jahr ohne uns“ ändern. Ich biete Angehörigen der Corona-Risikogruppen und ihren Familien kostenlose Online-Fotokurse an. Jeweils zehn TeilnehmerInnen – jüngere und ältere, einheimische und zugewanderte – erlernen innerhalb von fünf Wochen das fotografische Handwerk, lernen wegweisende Fotografen kennen, tauschen sich untereinander aus und entwickeln mit meiner Hilfe je einen Fotoessay über ihren Alltag oder ihre Weltsicht im Corona-Jahr. Keine Sorge: Ich habe in den letzten Jahren gut hundert Menschen in den USA und Deutschland in Fotografie unterrichtet (u.a. am Stanford International Center und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin), darunter viele AnfängerInnen, und fast mit jedem Kurs am Ende eine Ausstellung organisiert. Für Leute, die Lust haben und offen sind, ist die Lernkurve sehr steil – auf technische Vorkenntnisse kommt es nicht an.

Die Fotoessays werden auf einer Website veröffentlicht, die bei Interesse auch in lokalen Medien besprochen wird. Es werden ungewöhnliche Zeitdokumente, die eine Antithese zu den „Corona-Demos“ gegen die Einschränkungen schaffen: Die Bilder erinnern daran, was für Menschen, die nicht lautstark auf die Straße gehen können, auf dem Spiel steht und wie kreativ und widerstandsfähig sie mit dem neuen Normalzustand umgehen.

Kurz zu mir: Ich bin Fotografin und Journalistin. Von 2014 bis 2019 habe ich in den USA gewohnt, doch seit März bin ich selbst auf einer Insel gestrandet: in einem Risikogruppen-Haushalt in Westfalen. Weil ich eine solch bedrängende Enge und wunderbare Nähe wohl nie wieder erleben werde, habe ich damit begonnen, unser Corona-Jahr in all seiner Improvisiertheit und Verschrobenheit in einem Fotoessay zu erzählen – natürlich mit Einverständnis meiner Mit-Gestrandeten.

Der Kurs findet vom 20. November bis 11. Dezember jeweils freitags von 16.30-19.30 Uhr statt sowie am Montag, den 21. Dezember. Für das Kurskonzept habe ich ein NRW-Künstlerstipendium zugesprochen bekommen; der Durchführung steht also nichts im Weg.

#1: Freitag, 20. November, 16.30-19.30 Uhr: Technische Einführung in die Fotografie (Blende, Belichtungszeit, ISO; richtig fokussieren)
#2: Freitag, 27. November: Die Kunst des Fotoessays – Dokumentarfotografie in der Corona-Krise (+ Fotobearbeitung 💻)
#3: Freitag, 4. Dezember: Stillleben, Details und Makrofotografie
#4: Freitag, 11. Dezember: Portraitfotografie (+ 💻 Selbstportrait)
#5: Montag (!), 21. Dezember: Fotoessays zur Corona-Krise – unser Abschlussprojekt

 

Derzeit suche ich TeilnehmerInnen für die kostenlosen Kurse zum Fotoprojekt “Das Jahr ohne uns”.

Wenn Sie…

… große Lust haben, Fotografie zu lernen (auf Anfängerniveau),

… Zugang zu einem Computer und einer Digitalkamera (notfalls reicht ein Handy) haben,

… sich während der Pandemie isolieren, weil Sie zur Risikogruppe gehören oder mit jemandem aus der Risikogruppe zusammenleben,

… Ihren persönlichen Alltag fotografieren und ausgewählte Fotos anschließend veröffentlichen möchten,

(oder jemanden kennen, auf den/die das zutrifft),

schreiben Sie mir bitte so bald wie möglich (spätestens bis zum 18.11.) an mail@christina-felschen.com.

Ich hoffe auf eine bunt gemischte Gruppe, die Lust hat etwas Neues zu lernen, sich auszutauschen – in meinen bisherigen Kursen sind immer auch Freundschaften entstanden – und sich visuell auszuprobieren und mitzuteilen. Es haben sich schon viele junge Familien beworben – im Sinne der Diversität freue ich mich besonders über Leute, die alleine oder in einer WG leben, ältere Menschen, EinwandererInnen und Geflüchtete, die noch teilnehmen wollen.

 

Beispiele für Fotoessays über (Corona-)Isolation: #ICPConcerned (mit Audio-Kommentaren in Englisch), Elinor Caruccis “A Photographer’s Diary of Life in Isolation”, Lesly Descher Canossis “Domestic Negotiations”, “Stay At Home” – visuelles Gespräch zwischen zwei Fotografen (Ivan Chernichkin, Jonathan Machander ; Pietro Lo Casto, Viktor Van Hoof)